Patient:innen mit Traumafolgestörung ganzheitlich unterstützen

06.08.2025

In unserer Tagesklinik[1]für traumatisierte geflüchtete Menschen haben wir unser innovatives Gruppentherapiekonzept weiterentwickelt, das theoretisches Wissen über Traumafolgestörungen stärker mit praktischen Körper- und Wahrnehmungsübungen verbindet. Die Psychoedukative Gruppe (PEG) richtet sich an Patient:innen mit posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS) und anderen traumabedingten Erkrankungen.

Viele unserer Patient:innen leiden unter den typischen Symptomen einer PTBS wie Flashbacks, Schlafstörungen, Konzentrationsproblemen und emotionaler Überforderung. Herkömmliche rein theoretische Gruppenansätze stoßen oft an ihre Grenzen, da die Aufmerksamkeitsspanne der Betroffenen durch ihre Symptomatik stark eingeschränkt ist. Hier setzt unser modifiziertes Konzept an, das auf dem bewährten Manual „Psychoedukation bei posttraumatischen Störungen“[2] basiert – und es um eine entscheidende Komponente erweitert: die direkte Verbindung von Wissensvermittlung mit körperbasierten Übungen.

Unsere Psychoedukative Gruppe findet wöchentlich statt und umfasst zwölf Termine. Geleitet wird sie neuerdings von einem Körpertherapeuten und einem Psychologischen Psychotherapeuten in Ausbildung. Das integrative Konzept zielt darauf, stark belastete Patient:innen zu entlasten und ihnen konkrete Werkzeuge an die Hand zu geben, mit denen sie ihre Symptome aktiv beeinflussen können.

Besonders wichtig an unserem Ansatz ist uns die systematische Verzahnung von Theorie und Praxis. Zunächst erarbeiten wir gemeinsam mit den Patient:innen die wissenschaftlichen Hintergründe zu verschiedenen Themenbereichen. Dazu gehören die PTBS-Symptomatik und ihre Entstehung, Dissoziation und Gedächtnisprobleme, Zusammenhänge zwischen Trauma und körperlichen Schmerzen, Begleiterkrankungen wie Depressionen und Angststörungen, Schlafstörungen und Aggressionsregulation sowie die verfügbaren Hilfesysteme in Deutschland

In einem weiteren Schritt entwickeln alle Patient:innen ihr persönliches Verständnis der eigenen Symptomatik. Gemeinsam erarbeiten wir individuelle Erklärungsmodelle, die für alle Teilnehmenden nachvollziehbar sind. Diese partizipative Herangehensweise ermöglicht es, dass sich jede:r Patient:in aktiv einbringen kann und die Inhalte auf die persönliche Situation bezieht.

Vor und nach der Wissensvermittlung werden passende Körperübungen eingeführt, die die Aufnahmefähigkeit der Patient:innen stärken sollen und folglich auf den erarbeiteten Inhalten aufbauen. Bei Themen zur Dissoziation wird beispielsweise die 5-4-3-2-1-Übung praktiziert, bei der Patient:innen bewusst fünf Dinge benennen, die sie sehen, vier die sie hören, drei die sie ertasten, zwei die sie riechen und eines das sie schmecken können. Diese Übung hilft, sich wieder im Hier und Jetzt zu verankern.

Weitere wichtige Techniken umfassen den Bodyscan als systematische Körperwahrnehmung. Dies hilft zur Stressregulation und besseren Schlafvorbereitung. Außerdem gibt es auch spezielle Atemtechniken zur Beruhigung des Nervensystems, verschiedene Grounding-Techniken zur Erdung bei Flashbacks oder Panikattacken sowie progressive Muskelentspannung zur gezielten Entspannung einzelner Muskelgruppen.

Der ganzheitliche Ansatz berücksichtigt dabei wichtige Erkenntnisse der Traumaforschung: Traumatische Erfahrungen werden nicht nur im Geist, sondern auch im Körper gespeichert. Eine erfolgreiche Therapie muss daher beide Ebenen ansprechen. Viele Patient:innen zeigen sich aufnahmebereiter, wenn sie buchstäblich in den Körper geholt werden. Die Kombination aus Verstehen und direktem Erleben schafft nachhaltige Veränderungen.

Die erlernten Übungen werden nicht nur in der Gruppe praktiziert, sondern als praktische Skills für den Alltag mitgegeben. Unsere Patient:innen können diese Techniken selbstständig anwenden, um:

  • sich bei Überforderung zu beruhigen,
  • Dissoziationen zu reduzieren,
  • den Schlaf zu verbessern,
  • mit Angst und Panik umzugehen oder
  • aggressive Impulse zu regulieren.

Diese Selbstwirksamkeit ist sehr wichtig für die Patient:innen. Sie stärkt das Vertrauen in die eigenen Bewältigungsmöglichkeiten erheblich und zeigt Wege auf, Gefühle eigenständig zu bewältigen, die einem zuvor unkontrollierbar erscheinen könnten.

Förderung:

Die psychosoziale Versorgung von schwer traumatisierten geflüchteten Menschen in der Tagesklinik des Zentrum ÜBERLEBEN wird u.a. gefördert vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sowie der UNO-Flüchtlingshilfe.


[1] Die Tagesklinik im Zentrum ÜBERLEBEN wird in Kooperation mit der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Charité Berlin-Campus Mitte (CCM) betrieben.
[2] „Psychoedukation bei posttraumatischen Störungen“ von Liedl, Schäfer und Knaevelsrud (2010).

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