Pressemitteilung der Bundesweite Arbeitsgemeinschaft der Psychosoziale Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer (BAfF e. V.)

Kürzungen:

Versorgung traumatisierter Geflüchteter vor dem Kollaps

Oktober 2025

Die Psychosozialen Zentren für Geflüchtete (PSZ) stehen vor dem Kollaps: 2026 drohen massive Kürzungen bei zwei zentralen Finanzierungsquellen – den Bundesmitteln aus dem Familienministerium und den EU-Mitteln, die das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) verwaltet. Ohne Sofortmaßnahmen wird ab Januar an einigen der 51 Standorte bis zu 60 % des Fachpersonals entlassen. Aufgrund einer neuen Verteilsystematik für EU-Fördergelder werden ärmere, strukturschwache Regionen besonders betroffen sein. 

Die BAfF veröffentlicht dazu heute ein umfassendes Policy Paper zur Analyse der aktuellen Finanzierungsstruktur – einschließlich konkreter Handlungsempfehlungen, die Bund und Länder jetzt umsetzen müssen. Parallel starten die 51 Psychosozialen Zentren, anlässlich des Tags der psychischen Gesundheit, die Kampagne #PSZsichern. Bis zum Abschluss der Haushaltsberatungen im November machen sie mit Einzelfällen aus der Arbeit vor Ort sichtbar, was es für traumatisierte Geflüchtete bedeutet, wenn ihre Therapie- und Beratungsangebote wegbrechen.

Welche Kürzungen sind angekündigt?

Die Finanzierung der Psychosozialen Versorgung durch den Bund soll um 41 % auf nur noch 7,1 Millionen Euro gekürzt werden. Bei etwa 990.000 Geflüchteten mit psychischen Erkrankungen in Deutschland beteiligt sich der Bund mit diesen Mitteln also nur mit 7,20 € pro Kopf an ihrer Versorgung. Insgesamt könnten durch diese Mittel nur noch 0,5 % der potenziell betroffenen Personen versorgt werden.

Gleichzeitig liegen auch die EU-Mittel zur psychosozialen Versorgung Geflüchteter für die kommenden Jahre rund 30 % unter der Summe, die alle 51 Einrichtungen bundesweit beantragen müssten, um ihre Versorgungsstrukturen aufrechtzuerhalten. Besonders dramatisch ist, dass Fördermittel künftig – ohne dass dies seitens der Europäischen Kommission vorgeschrieben wäre – nicht mehr nach Bedarf und Qualität der Angebote an psychosoziale Einrichtungen vergeben werden, sondern nach Königsteiner Schlüssel an die Bundesländer verteilt werden. Dieser Schlüssel gilt auch Analysen des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags zufolge als ungeeignet zur Steuerung sozialer Programme, da er ärmere Regionen benachteiligt.

Handlungsbedarf: Weder Gesundheitssystem noch PSZ können Finanzierungslücke auffangen

Durch die Kürzungen drohen bundesweit Aufnahmestopps und Therapieabbrüche. Die Wartelisten der verbleibenden Einrichtungen werden ins Unerträgliche wachsen, Erkrankungen chronifizieren, Krisen werden sich zuspitzen und die Versorgungslast verschiebt sich in den akutstationären Bereich, also die Notaufnahmen der Kliniken.

“Viele von uns haben erlebt, wie Klient*innen durch die Hilfe der Psychosozialen Zentren erstmals wieder Hoffnung fassen: Hoffnung darauf, dass ihre Überlebenskämpfe gesehen werden und das Unrecht, das sie erfahren haben, als falsch anerkannt wird. Für manche bedeutet das: endlich wieder schlafen können. Für andere: Vertrauen in Menschen und in Institutionen. All das ist kein Luxus — es ist überlebensnotwendig”, so Larissa Kunze, BAfF-Referentin, zur Bedeutung der Arbeit in den PSZ.

Da Geflüchtete in Deutschland durch das Asylbewerberleistungsgesetz keinen vollen Zugang zum Gesundheitssystem haben, können die Lücken auch nicht durch das reguläre psychotherapeutische Versorgungssystem aufgefangen werden. Die PSZ sind die einzigen spezialisierten Einrichtungen für schwer traumatisierte Geflüchtete. Sie versorgen jährlich 30.000 Klient*innen – und decken damit schon heute nur 3,1 % des Bedarfs.

„Die Bundesregierung spart auf Kosten der Schwächsten und riskiert den Verlust einer unverzichtbaren Infrastruktur“, so Lukas Welz vom PSZ-Bundesverband. „Psychosoziale Zentren sind keine freiwilligen Projekte, sondern Teil der Grundversorgung. Ohne sie bleiben Überlebende von Folter und Krieg ohne Hilfe – mit hohen Folgekosten für das Gesundheitssystem.“

Was jetzt passieren muss: Forderungen der BAfF an Bund und Länder

An den Haushaltsausschuss des Bundestags:

  • Aufstockung der Bundesmittel auf mindestens 27 Millionen Euro, auch, um eine Überbrückungsfinanzierung für vom Wegfall der AMIF-Mittel betroffene Zentren zu sichern.

An das BAMF und die Vertreter*innen der Länder im AMIF-Begleitausschuss:

  1. Aufstockung der EU-Mittel um 30 %: Da das Gesamtvolumen des AMIF nach Angaben des BAMF verdoppelt wurde, ist eine Aufstockung des psychosozialen Förderschwerpunkts möglich und geboten.
  2. Verteilung der Mittel über Versorgungsbedarf, Qualität und Spezialisierungsgrad statt Königsteiner Schlüssel.

Pressekontakt

BAfF e. V. 
Telefon: 0162 54 24 624

Materialien:

>Policy Paper: „Finanzierungslücken bei Bundes- und EU-Mitteln zur Psychosozialen Versorgung Geflüchteter. Analyse und Empfehlungen zur Stabilisierung spezialisierter Versorgungsstrukturen zwischen nationaler Verantwortung und europäischer Förderpolitik“ (PDF)

>Zusammenfassung zum Policy Paper (PDF)

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Über die BAfF: Die BAfF e. V. ist der Bundesverband der Psychosozialen Zentren, die Überlebenden von Krieg, Folter und Flucht helfen. Seit 29 Jahren setzt sie sich für eine flächendeckende und niederschwellige Versorgung von geflüchteten Menschen ein. Diese benötigen nach oft schwer traumatisierenden Erfahrungen schnelle psychosoziale Begleitung. Die BAfF vertritt die Interessen von Überlebenden schwerer Menschenrechtsverletzungen gegenüber der Politik und der (Fach-) Öffentlichkeit, vernetzt Akteur*innen der psychosozialen Arbeit und bringt sich durch Projekte, Veranstaltungen und Öffentlichkeitsarbeit in den fachlichen und politischen Diskurs ein. >Zur Website der BAfF