Jahresbericht 2024/2025
Long-COVID:
Lernen mit einer wenig erforschten Krankheit zu leben
„Ein Glück, dass Corona vorbei ist“, solche und ähnliche Sätze begegnen uns häufig, wenn wir an die Pandemie zurückdenken. Was einigen Menschen nicht bewusst ist: Für viele Corona-Betroffene und ihre Angehörigen ist die Pandemie zwar vorbei, die Krankheit aber ganz und gar nicht. Durch unsere psychologische Online-Beratung pflegen-und-leben.de unterstützen wir Angehörige von Long-COVID-Betroffenen.
Anhaltende Erschöpfung, Kreislauf- und Atembeschwerden, Konzentrationsschwierigkeiten bis hin zu Vergesslichkeit – solche Symptome sind typische Merkmale einer Long-COVID-Erkrankung, wenn sie über zwei Monate auftreten. Wenn sich die Symptome chronifizieren, kann sich daraus die Krankheit „Chronisches Fatigue Syndrom“ (ME/CFS) entwickeln. Betroffene werden infolgedessen häufig pflegebedürftig, sind zu geschwächt, um eigenständig für sich zu sorgen. Unsere Online-Beratung pflegen-und-leben.de hat dazu konkrete Berührungspunkte, da in den letzten Jahren die Anfragen von Long-COVID-Angehörigen gestiegen sind. Eine besondere Schwierigkeit für Betroffene sowie Angehörige ist der bislang dürftige Forschungsstand zu dieser spezifischen Erkrankung. Das führt verständlicherweise zu Frustration und Ängsten. Da Frauen im Alter von 18 bis 45 Jahren verhältnismäßig am stärksten betroffen sind*, handelt es sich bei den Angehörigen, die sich an uns wenden, meistens um Eltern, die sich wieder um ihre erwachsenen Kinder kümmern.
„In den Gesprächen mit Long-COVID-Angehörigen geht es vordergründig darum, den Personen Raum zu geben und ihre Emotionen zu halten. Die Klient:innen suchen ein offenes Ohr, um über ihren Frust, ihre Sorgen und Belastungen zu sprechen. Gutgemeinte Ratschläge sind hier selten hilfreich, da die Situation sehr speziell ist und es so viel Ungewissheit über erfolgversprechende Behandlungsmethoden und Aussichten auf Besserung gibt. Stattdessen ist es wichtig über Selbstfürsorge, Auszeiten und Selbstmitgefühl zu sprechen“, erklärt Dr. Jana Toppe, systemische Therapeutin und Abteilungsleitung von pflegen-und-leben.de.
Prognosen über die Auswirkungen von Long-COVID und ME/CFS können sehr stark variieren. Entsprechend sind Angehörige mit der Sorge konfrontiert, dass dieser belastende Zustand „für immer“ andauernd wird. Insbesondere für Eltern von recht jungen Erkrankten ist das emotional sehr belastend. Da die Erkrankung mit einer schnellen Ermüdung und Reizüberflutung einhergeht, sind viele alltägliche Aktivitäten wie lesen, Musik hören oder auch fernsehen nur in sehr geringen Dosen möglich. Sonst kann es schnell zu einem sogenannten Crash kommen, also einem Zusammenbruch des gesamten Systems, das den Gesundheitszustand wieder zurückwirft. Für Angehörige ist es dadurch umso schwerer, Unterstützung zu leisten, da Betroffene aufgrund von Reizüberflutungen häufig Isolation und komplette Ruhe benötigen. Für Erkrankte ist es mit vielen Risiken verbunden, sich auf Behandlungen einzulassen, da diese immer einen Eingriff in ein geschwächtes System darstellen.
Grundlegende Kenntnisse über die Erkrankung sind für die Therapeutinnen bei pflegen-und-leben.de essenziell, um zu verstehen, weshalb die Ratsuchenden so verzweifelt sind. Sie suchen nach jemandem, der sie längerfristig dabei unterstützen kann, Entlastung zu finden, da sie auf unabsehbare Zeit durch die Pflegebedürftigkeit ihrer Angehörigen mit dieser Krankheit konfrontiert sein werden.
„Die negativen Prognosen und Krankheitsverläufe erzeugen zusammen mit der Pflegebelastung eine Situation, aus der die Klient:innen keinen zeitnahen Ausweg sehen. Umso wichtiger ist es, ihnen Strategien aufzuzeigen, wie sie sich im Hier und Jetzt Entspannungsmomente einräumen und regelmäßig in ihren Alltag integrieren können. So können sie auf sich selbst Acht geben und erhalten gleichzeitig Energie zur Unterstützung ihrer Angehörigen“, schlussfolgert Dr. Jana Toppe.
Es gab im Jahr 2024 auf dem Portal von pflegen-und-leben.de 396 Neuanmeldungen und es fanden 1.103 Beratungen statt.
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* Artikel auf aerzteblatt.de vom 26.4.2024
**Der Schutz unserer Klient:innen ist uns wichtig. Deswegen arbeiten wir mit Anonymisierungen bei Persönlichkeitsdaten und Fotos.
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