Newsletter 3/2018 – Titelthema
Der lange Weg des Ankommens: Traumatisierte junge Erwachsene müssen auch im Exil „funktionieren“
Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge erhalten Unterbringung, Versorgung und Betreuung durch die Kinder- und Jugendhilfe in den Kommunen, gemäß SGB VIII. Als junge Volljährige stehen sie dann vor großen Schwierigkeiten, die ihren Aufenthalt, ihr Asylverfahren, die Unterbringung und Ausbildung betreffen. Eine verlängerte Jugendhilfe soll sie bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres unterstützen. Im Fall von traumatisierten Geflüchteten schafft dieses System leider auch Probleme.
Viele junge Erwachsene sind als Minderjährige geflüchtet und allein nach Europa gekommen. In ihrer Heimat und auf der Flucht haben sie schwere Misshandlungen, Missbrauch und Gewalt erlebt. Viele sind traumatisiert. Die Persönlichkeitsentwicklung mancher ist aufgrund der erlebten Belastungen erheblich beeinträchtigt. Für eine eigenverantwortliche Lebensführung benötigen sie Unterstützung.
Die verlängerte Jugendhilfe, die auch nach Vollendung des 18. Lebensjahres gewährt werden kann, soll den Volljährigen Orientierung bieten und den Übergang in ein selbständiges Leben erleichtern. Es zeigt sich jedoch: die Anforderungen, die das System an die jungen Menschen stellt, können sie häufig nicht erfüllen. Aufgrund des Erlebten können sie Verhaltensmuster und Eigenschaften entwickeln, die zum Beispiel zu häufigen Fehlzeiten in der Ausbildung oder auffälligem Verhalten in Wohnunterkünften führen. Werden die Gründe dafür nicht erkannt und sie aus der Jugendhilfe ausgeschlossen, können sie schnell in eine Abwärtsspirale geraten. Häufig werden sie auch in Einrichtungen für Erwachsene auffällig und müssen diese ebenfalls verlassen. Manche stehen dann buchstäblich auf der Straße.
Die jungen Menschen sollten deshalb in ein Helfer*innensystem eingebunden sein, in dem ihr Verhalten richtig analysiert und verstanden wird.
Sie mit neuen Anforderungen wie einem Schulabschluss, einem raschen Spracherwerb oder einer erfolgreich absolvierten Ausbildung zu konfrontieren, überfordert viele. Im Zentrum ÜBERLEBEN werden junge volljährige Traumatisierte sozialpädagogisch und therapeutisch betreut. Ziel ist es, den jungen Männern und Frauen das Gefühl von Sicherheit zu geben und sie zur Ruhe kommen zu lassen. Ihre Ressourcen werden behutsam reaktiviert, damit sie das Selbstvertrauen und die Stärke aufbringen können, den Anforderungen gerecht zu werden. Eigentlich, sagt Sozialarbeiterin Katrin Fischer, brauchen die jungen Menschen aber Zeit zum Ankommen. Monate- und manchmal jahrelang haben sie auf der Flucht ums Überleben gekämpft. Hier müssen sie nun erneut „funktionieren“, um nicht aus dem System der Jugendhilfe ausgeschlossen zu werden. Eine schwierige und verzweifelte Situation für junge Menschen, die ihr Trauma noch nicht aufarbeiten konnten.
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Foto: chuttersnap/unsplash.com