Pressemitteilung zum Internationalen Tag zur Unterstützung von Folteropfern am 26. Juni.

Versorgungsnotstand endlich bekämpfen – psychosoziale Zentren fördern

Die Folgen von Folter und anderen Menschenrechtsverbrechen müssen endlich in den Fokus rücken.

Berlin, 21. Juni 2018

In der deutschen Asyl- und Flüchtlingspolitik rücken die traumatischen Erlebnisse von Folterüberlebenden und Bürgerkriegsflüchtlingen sowie deren Folgen immer mehr in den Hintergrund. Häufig geht es nur noch um die Frage, wie Menschen daran gehindert werden können, nach Europa zu kommen. Die Versorgung und Bedarfsermittlung der Menschen, die in Deutschland bleiben, weil sie in ihrer Heimat gefoltert, verfolgt oder durch schlimmste Kriegsgewalt traumatisiert wurden, bleibt dahinter zurück. Dabei steigt die Nachfrage nach Behandlungsplätzen weiter. Die Bundespsychotherapeutenkammer schätzt, dass etwa die Hälfte der Geflüchteten in Deutschland an einer traumareaktiven Erkrankung oder Depression leiden. Die Folgen: Der Versorgungsnotstand im Bereich der psychotherapeutischen und psychosozialen Versorgung Folterüberlebender und traumatisierter Geflüchteter in Deutschland spitzt sich immer weiter zu. Was bedeutet das für die Menschen?

Kaum Behandlungsplätze vorhanden

„Im Zentrum ÜBERLEBEN können wir von rund 20 Anfragenden in der Woche nur ein bis zwei Menschen aufnehmen“, sagt Dr. Mercedes Hillen, Geschäftsführerin und ärztliche Leiterin des Zentrums. „Alle anderen bekommen eine qualifizierte Beratung und werden möglichst an andere Stellen weitervermittelt. Seit Jahren weisen wir auf die fehlenden Kapazitäten in der Versorgung traumatisierter Geflüchteter hin. Leider tut sich hier viel zu wenig“.

Auch bei niedergelassenen Therapeut*innen müssen Geflüchtete lange auf einen Platz warten. Häufig steht dort zudem das Problem der Sprachmittlung im Wege, weil die Kosten für die Übersetzungen von den Krankenkassen nicht übernommen werden. Damit nützt den Betroffenen auch der Besitz einer Gesundheitskarte wenig. Vor diesem Hintergrund leisten hochspezialisierte psychosoziale Zentren wie das Zentrum ÜBERLEBEN in der Versorgung traumatisierter Geflüchteter seit vielen Jahren wichtige Arbeit, die weite Teile der Regelversorgung mit abdeckt. Finanziell sind sie nach wie vor auf Spenden, Projektförderungen und andere Unterstützungen angewiesen, obwohl die Patientenzahlen auch nach Rückgang der Asylantragszahlen weiter steigen.

Derzeit erhalten über 1000 Menschen jährlich beratende, medizinische, diagnostische, therapeutische und psychosoziale Versorgung im Zentrum ÜBERLEBEN. Alle diese Leistungen erfolgen mit Sprachmittler*innen, die speziell geschult und aus Spendenmitteln finanziert sind „Traumatisierte Geflüchtete haben ein Recht auf eine adäquate gesundheitliche Versorgung und die Berücksichtigung ihrer traumatischen Erlebnisse im Asylverfahren – völlig unabhängig von der Zahl der gestellten Asylanträge. Die deutsche Regierung ist dabei, diese Rechte der besonders Schutzbedürftigen mit Füßen zu treten, indem sie auch traumatisierte Männer, Frauen und Kinder in AnkER-Zentren festhält und nichts unternimmt, um sie möglichst schnell in die Versorgungsstrukturen zu bekommen“, erklärt Dr. Hillen.

Der Mangel an Fachkräften verschärft sich weiter

Der Versorgungsnotstand für Folterüberlebende und traumatisierte Geflüchtete schreitet somit voran. Gebraucht werden vor allem ausgebildete Fachkräfte, die durch mehr Fortbildungen und andere Angebote der fachlichen Qualifizierung erreicht werden könnten. Das Fachwissen und jahrelange Erfahrungen sind in den psychosozialen Zentren vorhanden. Diese brauchen jedoch mehr finanzielle Unterstützung, um diese Angebote umsetzen zu können. Bisher gehen Ressourcen für die Qualifikation von Fachkolleg*innen zu Lasten der Patient*innen. Gelder, die für Fortbildungsangebote aufgewendet werden, fehlen gleichzeitig in der Versorgung der besonders Schutzbedürftigen. In diesem Schema wird sich die Notlage immer weiter verschärfen.

KONTAKT

Tinja Schöning
Tel.: 030 30 39 06 -62
E-Mail: t.schoening@ueberleben.org

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