Pressemitteilung

 Internationaler Tag der Menschenrechte

Schutzbedürftige sind auf der Flucht Folter und Gewalt ausgesetzt

Traumatisierten wird der Zugang zu gesundheitlicher Versorgung erschwert

Berlin, 06.12.2018

Siebzig Jahre nach Verabschiedung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte ist Folter weiter auf dem Vormarsch. Immer mehr Menschen sind vor Folter und Kriegsgewalt auf der Flucht. Auf dem lebensgefährlichen Weg nach Europa werden sie häufig erneut Opfer von Misshandlungen und schwerster Gewalt. Anlässlich des Internationalen Tag der Menschenrechte fordert das Zentrum ÜBERLEBEN die EU Mitgliedstaaten dazu auf, das individuelle Recht auf Asyl für traumatisierte Überlebende von Folter und Gewalt zu schützen und endlich sichere Fluchtwege einzurichten.

Der Schutz vor Folter ist nicht verhandelbar!
Die Externalisierung der europäischen Asyl- und Flüchtlingspolitik führt zu einer massiven Verschlechterung der Menschenrechtssituation vieler Geflüchteter. In offiziellen und inoffiziellen libyschen Lagern werden Männer, Frauen und Kinder unter katastrophalen Bedingungen in engen Räumen zusammengepfercht und eingesperrt. Dr. Mercedes Hillen, Geschäftsführerin im Zentrum ÜBERLEBEN, sagt: „Praktisch alle Patient*innen, die über Libyen geflohen sind und zu uns kommen, berichten von Folter durch staatliche Akteure, von massiven Misshandlungen durch Schlepperbanden, von Vergewaltigungen und Versklavungen. Sie haben dort keinen Zugang zu einem Asylverfahren, erhalten keinen Schutz und keine Versorgung, weil es keine zentrale Staatsgewalt mehr gibt. Die langjährige Flucht traumatisiert die Menschen noch tiefer, als es Folter, Krieg und Verfolgung im Heimatland der Geflüchteten ohnehin schon getan haben“.

Auch in Deutschland kaum Zugang zu gesundheitlicher Versorgung, Schnellverfahren gefährden die Gesundheit
Besonders schutzbedürftige Geflüchtete haben in der EU und damit auch in Deutschland das Recht auf Schutz sowie auf eine adäquate gesundheitliche Versorgung. Laut einer aktuellen AOK Studie könnte das bis zu 75 Prozent der Geflüchteten aus den Hauptherkunftsländern Syrien, Afghanistan und dem Irak betreffen. Der Zugang zu gesundheitlicher Versorgung ist in Deutschland allerdings erheblich erschwert. Es gibt kein einheitliches Verfahren zur Feststellung einer besonderen Schutzbedürftigkeit, z.B. einer Traumatisierung. Dafür bräuchte es qualifizierte, unabhängige Begutachtungen, eine geschützte Unterbringung und vor allem Zeit. Häufig dauert es Monate, bis Betroffene über ihre Erlebnisse sprechen können und Therapeut*innen als Vertrauenspersonen akzeptieren. Ein weiterer wesentlicher Bestandteil einer frühzeitigen Feststellung ist eine unabhängige Verfahrensberatung, in der auch über die Rechte besonders schutzbedürftiger Geflüchteter im Asylverfahren informiert werden muss. Viel zu wenige Betroffene kennen ihre Rechte und wissen häufig nicht einmal, dass ihre Beschwerden möglicherweise Ausdruck einer traumareaktiven Symptomatik sind. All das ist in den Schnellverfahren in den AnKER-Zentren und erst recht nicht in EU-weit vorgesehenen Grenzverfahren umzusetzen. Die Rechte der Überlebenden von Folter und Kriegsgewalt werden so zugunsten einer höheren Rückführungsquote umgangen. Es ist zu befürchten, dass europaweit zehntausende Traumatisierte und andere besonders schutzbedürftige Geflüchtete unerkannt bleiben und keine Chance auf eine gewaltfreie und sichere Zukunft bekommen.

Kontakt

Tinja Kristein
Tel.: 030 30 39 06 -62
E-mail: t.kirstein@ueberleben.org

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