1. September 2024

Thüringen und Sachsen haben die Wahl

Am 1. September sind in Thüringen und Sachsen Landtagswahlen. Bundesweit richten sich alle Augen gespannt, aber auch mit Besorgnis auf die Regierungen, die daraus hervorgehen werden. Laut Prognosen soll die AfD in Thüringen stärkste, in Sachsen zweitstärkste Kraft werden. Wir haben das zum Anlass genommen, zu prüfen, mit welchen Versprechen die AfD ihre Wählerschaft lockt – und was ein AfD-Wahlerfolg für Menschen wie unsere Patient:innen und Klient:innen, aber auch gesamtgesellschaftlich bedeuten würde.

Die AfD will das individuelle Asylgrundrecht durch die grundgesetzliche Gewährleistung eines Asylgesetzes (institutionelle Garantie) ersetzen. AfD-Parteiprogramm S. 60

Das Asylrecht ist Teil der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948. Es wurde nach dem zweiten Weltkrieg im deutschen Grundgesetz aus der Überzeugung verankert, dass jede schutzbedürftige Person ein Recht darauf hat, in Sicherheit zu leben. Die AfD hingegen kündigt ganz offen an, Asyl als Grundrecht beseitigen zu wollen, um dessen „Missbrauch als Vehikel der Masseneinwanderung“ zu beenden. Damit würden die Schutzmöglichkeiten von Personen, die aufgrund von politischer Verfolgung flüchten mussten, beschnitten werden. Stattdessen plädiert sie als vermeintlichen Lösungsvorschlag für das oben genannte Asylgesetz.

Wie sieht es mit ihren Lösungen für andere gesellschaftliche Herausforderungen, wie dem Fachkräftemangel, aus? Wären das Anwerben und eine berufliche Integration von einwandernden Menschen da nicht naheliegend? Die AfD in Thüringen hat dazu eine klare Voraussetzung:

„Das Anwerben sollte nur im erforderlichen Umfang und aus Gesellschaften erfolgen, die unsere Werte und die europäische Lebensweise im Wesentlichen teilen. Dies werden in erster Linie europäische Nationen sein.”Wahl-O-Mat Thüringen, 2024

In dieser Aussage spiegelt sich bereits deutlich die Grundhaltung der AfD zu einer diversen und multikulturellen Gesellschaft wider. Die Partei beharrt darauf, die deutsche kulturelle Identität verteidigen zu müssen. Ganz so, als wäre diese akut bedroht oder als seien natürliche Wandlungsprozesse eine Gefahr für die deutsche Gesellschaft – und somit ein friedliches Miteinander verschiedener Kulturen schier unmöglich. So wurde es entsprechend auch im Parteiprogramm festgehalten:

„Die Ideologie des Multikulturalismus, die importierte kulturelle Strömungen auf geschichtsblinde Weise der einheimischen Kultur gleichstellt und deren Werte damit zutiefst relativiert, betrachtet die AfD als ernste Bedrohung für den sozialen Frieden und für den Fortbestand der Nation als kulturelle Einheit.“ AfD-Parteiprogramm, S. 47

Damit befeuert die AfD eine Polarisierung, in der eine Vielzahl an Kulturen, und somit auch Menschen, als potenzielle Gefahr dargestellt werden, während das Vertraute Sicherheit verspricht. Dieser Dualismus schürt Ängste, die Hand in Hand gehen mit simplifizierten Lösungsangeboten, welche den realpolitischen Herausforderungen nicht gerecht werden. Ihre Strategie, Menschen mit Ängsten an sich zu binden, wird mit Blick auf ihre Haltung zum Verfassungsschutz einmal mehr deutlich und grenzt hier schon an Verschwörungstheorien:

„Die sächsische AfD fordert den kompletten Umbau des Verfassungsschutzes. Die Behörde soll sich ausschließlich auf islamistische Bestrebungen, terroristischen politischen Extremismus und Spionagetätigkeit ausländischer Dienste konzentrieren. Politische Willensbildung ist Sache der Parteien. Der Verfassungsschutz agiert derzeit als Regierungsschutz im Auftrag des CDU Innenministers und untergräbt damit Meinungsfreiheit und Demokratie.” Wahl-O-Mat Sachsen, 2024

Das Bundesamt für Verfassungsschutz bewertet Informationen und politische Aktivitäten, die mutmaßlich eine Bedrohung für unsere freiheitlich demokratische Grundordnung darstellen. Er dient als Instrument zum Schutz der demokratischen Ordnung. Behauptungen, die den Verfassungsschutz als manipulierbar darstellen, sind bodenlos und lassen vollkommen außer Acht, dass der Verfassungsschutz von verschiedenen Kontrollinstanzen (parlamentarisch, gerichtlich, öffentlich etc.) überprüft wird. Es scheint hingegen nicht zufällig, dass eine Partei, die vom Verfassungsschutz bundesweit als „rechtsextremistischer Verdachtsfall“ und in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt sogar als „gesichert rechtsextrem“ eingestuft wurde, ebendiese Behörde gerne abschaffen möchte.

Die zitierten Wahlprogramme sind gefährlich, weil sie vor dem Hintergrund demokratischer Wahlen vielen Menschen legitim erscheinen und sich so Annahmen rassistischer Wertesysteme langsam zu gefühlten Wahrheiten wandeln können. Wenn sich die Grenzen des Sagbaren und des demokratischen Handlungsspielraums verschieben, birgt das immer die Gefahr von Diskriminierung für rassistisch markierte Personengruppen – so wie unsere Patient:innen und Klient:innen.

Am 1. September wird sich zeigen, was für eine Zukunft sich die Menschen in Sachsen und Thüringen wünschen. Wir hoffen, dass sich die Mehrheit der Wählenden bei ihrer Entscheidung nicht von ihren Ängsten leiten lassen. Vielmehr sollten sie abwiegen, welche Partei nach persönlicher und rationaler Einschätzung die besten Lösungen bietet: In einer freiheitlich demokratischen Gesellschaft, die ein friedliches Zusammenleben aller dort lebenden Menschen ermöglicht.

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