Jahrestag des Angriffskriegs auf die Ukraine

So haben wir Menschen geholfen

23.2.2023

Es ist der 24.2.2022, der Wecker klingelt und auf dem Handybildschirm leuchtet die Eilmeldung: „Raketenbeschuss und Bodentruppen – Russland greift die Ukraine an“.

Seit diesem Tag ist auch im Zentrum ÜBERLEBEN nichts mehr, wie es vorher war. Was folgte waren Notfallmeetings, Stellungnahmen und erste Angebotskonzepte, für die schon bald in Berlin ankommenden geflüchteten Ukrainer:innen. So sehr uns dieser Krieg persönlich erschütterte, mussten wir gleichzeitig unsere Patient:innen durch ihre Angst begleiten, die sich durch den näher rückenden Krieg wieder umso bedrohter fühlten.

Wenn Katastrophen passieren, lastet die Ohnmacht schwer. Doch es bleibt keine Zeit für Schockstarre, denn wir müssen helfen – nein, wir wollen helfen!

Die psychosozialen Anlaufstellen und Regelversorgungsstrukturen mit transkulturellem Angebot waren schon damals voll ausgelastet. Wir befürchteten, dass unser Aufnahmesystem den erhöhten Bedarfen der Neuankommenden nicht gerecht werden könnte. Doch zumindest für unseren Teil können wir sagen, dass uns die kurzfristige Bereitstellung von Behandlungs- und Beratungskapazitäten geglückt ist. Nicht zuletzt dank großzügiger Fördermittelgeber:innen und Spender:innen, die innerhalb kürzester Zeit Gelder zur Realisierung von Hilfsprojekten zur Verfügung stellten. Ein großes Glück, denn die schnelle Anbindung an spezialisierte Einrichtungen ist immens wichtig, um Kriegsgeflüchteten das Gefühl von Sicherheit wiedergeben zu können.

Wir müssen schnell handeln, denn die Schutzsuchenden aus der Ukraine sind binnen Stunden in Berlin.

Für uns kam alles anders als gedacht – während uns Anfragen von ukrainischen geflüchteten Menschen bis heute nicht in dem Umfang erreichten, den wir anfangs erwartet hatten, war vor allem die Belastung der vielen Haupt- und Ehrenamtlichen offensichtlich, die sich in den folgenden Tagen und Wochen nach Kriegsbeginn unermüdlich um die ankommenden Ukrainer:innen kümmerten. Konfrontiert mit den grausamen Geschichten und psychischen Belastungen der Hilfesuchenden, eigenen Ängsten und Überlastungen, war hier professionelle Unterstützung notwendig. Unser Angebot sollte aus zwei Säulen bestehen: Psychosoziale Betreuung für geflüchtete Menschen sowie Beratungen und Schulungen zum Empowerment der Helfer:innen.

„Die geringen Therapieanfragen von Geflüchteten aus der Ukraine begründen sich vor allem durch ihre damalig aktuelle emotionale Kapazität. Sorgen und elementare Grundbedürfnisse waren noch ungeklärt: Sie haben Menschen verloren oder zurücklassen müssen, sie wussten oft nicht, ob sie in Berlin bleiben dürfen, wie sie untergebracht werden oder wie sie ihre Familie ernähren sollen. Für eine traumafokussierte Therapie, wie wir sie im Zentrum ÜBERLEBEN anbieten, ist ausreichend Stabilität jedoch unerlässlich. Oft spüren die Betroffenen selbst, dass ihre Kraft für eine Traumatherapie noch nicht reicht – andere Dinge zunächst Priorität haben. Die anfragenden Ukrainer:innen haben wir somit überwiegend zu therapieunabhängigen Themen beraten und an andere Institutionen weitervermittelt,“ erklärt Katrin Boztepe, Psychotherapeutin im ZÜ.

Wir sind fassungslos, aber nicht tatenlos. Das Ziel ist klar: Gemeinsam helfen!

Seitens der Helfenden standen viele Fragen im Raum: Wie halte ich die Belastungen, die mit der Tätigkeit als Helfer:in einhergehen, längerfristig aus? Woran erkenne ich, ob eine Person traumatisiert ist und wie gehe ich mit ihr richtig um? Wie kann ich mich als medizinische Fachperson aus der Ukraine in Deutschland einbringen, um mit meinen Sprach- und Fachkenntnissen anderen ukrainischen Geflüchteten zu helfen? Genau diese Anliegen haben wir adressiert und zahlreiche professionelle und ehrenamtliche Helfer:innen sowie Institutionen in Selbstfürsorge, Traumasensibilität und dem deutschen Gesundheitssystem geschult.

„Die Schulungen haben mich mutiger gemacht, Grenzen zu setzen. Die Not der geflüchteten Menschen war so groß, dass ich alles möglich machen wollte und mich darüber selbst vergessen habe. Durch die Schulung wurde ich ermutigt nur so viel Unterstützung anzubieten, wie ich auch leisten kann. Denn für die Hilfesuchenden ist es wichtig zu wissen woran sie sind und nicht ausgelöst durch meine Überlastung zusätzlich enttäuscht zu werden,“ so eine Teilnehmerin der Schulung für haupt- und ehrenamtliche Helfer:innen.

Durch die Unterstützung der Helfenden konnten wir einen Multiplikationseffekt erzielen und so noch mehr geflüchtete Menschen erreichen. Mittlerweile sind unsere Angebote verstetigt, durch zusätzliche Sprachmittelnde werden Anfragende aus der Ukraine in unseren allgemeinen Angeboten versorgt. Wir sind froh darüber, dass wir in so kurzer Zeit so vielen Menschen helfen und unseren Beitrag leisten konnten.

Was geblieben ist, ist der tiefe Schmerz über das Leid der ukrainischen Bevölkerung im In- und Ausland und den Schrecken, den sie auch heute noch tagtäglich erleben müssen. Zum Jahrestag wünschen wir allen Ukrainer:innen viel Kraft und gedenken all denen, die dem grausamen Angriffskrieg zum Opfer gefallen sind.

 



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Vielen Dank für Ihre Unterstützung!