»Schnelligkeit geht vor Rechtssicherheit« könnte das Motto in den geplanten AnkER- Zentren lauten. Dort, wo zukünftig Kompetenzbereiche von Bund, Ländern und Kommunen aufeinandertreffen sollen, drohen besonders schutzbedürftige Geflüchtete durchs Raster zu fallen. (©Foto: MikeDotta/shutterstock.com)

Newsletter 2/2018 – Titelthema

AnkER Zentren: Direktverfahren unterwandern die Rechte traumatisierter Geflüchteter

Die im Koalitionsvertrag vereinbarte Einrichtung von zentralen Ankunfts-, Entscheidungs- und Rückführungseinrichtungen, sogenannten AnkER-Zentren, schreitet voran. Dort sollen Asylverfahren und eventuelle Abschiebungen schneller durchgeführt werden. Erste Piloteinrichtungen soll es demnächst geben. Unter den ankommenden Geflüchteten befinden sich viele Traumatisierte und andere besonders Schutzbedürftige, wie unbegleitete Minderjährige, Schwangere und LSTBQ-Geflüchtete.

In den auf Schnelligkeit ausgelegten Direktverfahren droht die Rechtssicherheit auf der Strecke zu bleiben. Vor allem ist zu befürchten, dass Symptome einer traumatischen Belastung nicht erkannt und die entsprechenden Bedarfe der Menschen nicht festgestellt werden. Die EU-Verfahrensrichtlinie und die EU-Aufnahmerichtlinie garantieren traumatisierten Geflüchteten das Recht auf frühestmölichen Zugang zu rechtlicher und psychologischer Beratung. Wie eine unabhängige Beratung in den abgeriegelten Einrichtungen nachprüfbar durchgeführt werden soll, bleibt offen. Ebenso ist unklar, wie der Zugang zu einer externen psychosozialen und medizinischen Versorgung im Bedarfsfall aussehen soll.

Diese offenen Fragen sind keineswegs Kleinigkeiten. Sie berühren persönliche Rechte der Betroffenen, zu deren Umsetzung die deutsche Regierung verpflichtet ist. In der Anwendung der beiden EU-Richtlinien treffen in den AnkER-Zentren Zuständigkeiten des Bundes, der Länder und der Kommunen aufeinander. Während der Bund das Asylverfahren abwickelt, sind die Länder und Kommunen für die Feststellung der Bedarfe und die Versorgung der Geflüchteten zuständig. Im Fall von traumatisierten Geflüchteten stehen diese Bereiche in unmittelbarem Zusammenhang mit ihrem Gesundheitszustand. Traumatisierte brauchen Sicherheit, um über das Erlebte zu sprechen. Ihnen schadet der Aufenthalt in Sammelunterkünften und eine bedarfsgerechte Unterstützung ist unter den Lebensbedingungen der Unterkünfte nicht möglich. Wie in den Zentren ein rechtssicheres Verfahren gewährleistet werden soll, das dieser Komplexität gerecht wird, ist völlig unklar.

Es ist zu befürchten, dass viele Traumatisierte unberechtigte Ablehnungsbescheide des Bundesamts erhalten. Sie sind vor Folter und Krieg geflohen, um Sicherheit zu finden. Häufig werden ihnen auch hier nicht die Rechte gewährt, die ihnen zustehen. Mit den geplanten AnkER-Zentren dürften sich diese Fälle weiter häufen.

> Print-Newsletter 2/2018 mit allen Artikeln auf einen Blick (PDF)
> Online-Ansicht des E-Mail-Newsletters
> Anmeldung zum E-Mail-Newsletter