Das Zentrum ÜBERLEBEN hat sich in 25 Jahren zu einer Institution mit über 100 Festangestellten und ebenso vielen Honorarkräften entwickelt. Doch wer steckt eigentlich hinter der therapeutischen, sozialen, wissenschaftlichen und administrativen Arbeit? In unserer Serie stellen wir Menschen vor, die das Zentrum auf ihre Weise prägen.

Newsletter 4/2018 – #MenschenimZÜ Teil 4

Samira* kommt aus Afghanistan und übersetzt seit 2003 für das Zentrum ÜBERLEBEN auf Dari.

Was macht das Übersetzen einer Therapiestunde mit traumatisierten Geflüchteten aus?

Die Übersetzung ist eine Übersetzung von Sprache und Kultur. Der kulturelle Kontext ist sehr wichtig. Ich verstehe häufig was die Menschen meinen, auch wenn sie noch das richtige Wort suchen, um ihr Empfinden auszudrücken.

Wie fühlt sich die Situation zwischen Therapeut*in und Patient*in an?

Ich verkörpere sowohl die therapeutische Seite als auch die Seite der Geflüchteten und bin absolut neutral. Es wird immer in der Ich-Form übersetzt, damit geht das Gesagte auf mich über. Es ist wichtig, das von meiner realen Persönlichkeit zu trennen und mein eigenes Ich abzulegen.

 Warum ist Ihnen die Arbeit im ZÜ wichtig?

Als ich selbst nach Deutschland kam, hatte ich niemanden der mir geholfen hat. Ich habe ganz von null angefangen, ohne Sprachkenntnisse, ohne soziale Kontakte. Ich kenne den riesigen Unterstützungsbedarf bei Geflüchteten und weiß, dass jede Hilfestellung unendlich wertvoll ist. Häufig kommt es zu Missverständnissen, die z.B. durch kulturelle Gewohnheiten entstehen und mit einem einfachen Hinweis verhindert werden können. Und es gibt natürlich sehr viele, die stark traumatisiert sind und für die eine Therapie ohne Sprachmittlung unmöglich wäre.

Welche Strategien haben Sie, um die Erlebnisse der Patient*innen nicht mit nach Hause zu nehmen?

Ich sehe diese Aufgabe als meine Arbeit an und trenne die Schilderungen der Patient*innen aus dem Zentrum strikt von meinem Privatleben. Es ist sehr wichtig sich nicht auf einer persönlichen Ebene damit auseinanderzusetzen. Mir liegt das, ich habe damit wenig Schwierigkeiten.

Was brauchen Sie als Sprachmittlerin, um diese Arbeit leisten zu können?

Unverzichtbar ist die eigene persönliche und soziale Stabilität, um die Professionalität und die Trennung des eigenen Ichs von den schlimmen Erlebnissen der Geflüchteten immer beibehalten zu können. Letztlich tragen wir eine große Verantwortung. In einer solch sensiblen Situation wie einer Traumatherapie ist jedes Detail entscheidend.

> Print-Newsletter 4/2018 mit allen Artikeln auf einen Blick
> Online-Ansicht des E-Mail-Newsletters
> Zum Artikel: #MenschenimZÜ Teil 3
> Anmeldung zum E-Mail-Newsletter

*Name geändert

Foto: Zentrum ÜBERLEBEN