Pressemitteilung
Zum 26.06. – Internationaler Tag zur Unterstützung von Folterüberlebenden
Neue Patient:innenzahlen des Zentrum ÜBERLEBEN deuten auf mehr chronifizierte Krankheitsbilder bei traumatisierten Geflüchteten hin
PSZ brauchen dringend finanzielle Unterstützung, um steigendem Bedarf gerecht werden zu können
23.06.2022
Zum Internationalen Tag zur Unterstützung von Folterüberlebenden veröffentlicht das Zentrum ÜBERLEBEN die Patient:innenzahlen des vergangenen Jahres. Dabei wird vor allem deutlich: Die Kapazitäten reichen für immer weniger Patient:innen, deren Behandlung dafür immer komplexer wird. Dieser Trend ist im Zentrum ÜBERLEBEN seit spätestens 2018 zu beobachten und verschärft die ohnehin prekäre Situation um die knappen Versorgungsangebote für traumatisierte Geflüchtete und Überlebende schwerer Kriegsgewalt.
Im Jahr 2021 versorgten die Psychotraumatherapie in Sprachmittlung anbietenden klinischen Abteilungen [1] des Zentrums 428 Menschen, davon 212 weiblich und 215 männlich (bei einer Person keine Angabe). Auffällig ist, dass im letzten Jahr die Zahl der Afghan:innen wieder anstieg (81 Personen, zuvor 72), während es bei den Personen aus anderen häufigen Herkunftsländern wie Syrien, Iran, Irak oder der Türkei einen Rückgang gab. Die Zahl der durchschnittlichen Leistungen pro Patient:in ist mit 72,3 weiter gestiegen (2020: 60,1; 2019: 50,2). Die medizinischen, therapeutischen und sozialarbeiterischen Unterstützungsbedarfe sind damit so hoch wie nie.
„Wir können seit einiger Zeit, zum Beispiel in der ambulanten Abteilung für Erwachsene, beobachten, dass bei vielen unserer Patient:innen eine Akut- bzw. Kurzzeitbehandlung in den Jahren 2015 und 2016 zwar in der Krise Hilfe bot, aber nur übergangsweise stabilisiert hat, da keine weiteren Unterstützungsmaßnahmen angeboten werden konnten. Viele der damals mit kurzzeitigen Maßnahmen versorgten Menschen sind deshalb heute wieder bei uns. Bei diesen chronifizierten Krankheitsbildern ist die hochspezialisierte Expertise der PSZ unverzichtbar. Auch externe Fachkolleg:innen stoßen hier an ihre Grenzen. Eine engmaschige, multiprofessionelle Behandlung auf medizinischer, therapeutischer und sozialarbeiterischer Ebene ist unabdingbar und vom Regelsystem in dieser Form bisher nicht leistbar“, sagt Dr. Tanja Waiblinger, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, sowie Leiterin der Ambulanten Abteilung für Erwachsene im Zentrum ÜBERLEBEN.
Das bedeutet jedoch gleichzeitig, dass immer weniger Menschen im Zentrum ÜBERLEBEN Hilfe finden, da es weder personelle, noch räumliche oder finanzielle Reserven gibt, um die langwierigen Therapieverläufe kompensieren zu können. Wir fordern daher die politischen Entscheidungsträger:innen dringend dazu auf, die finanziellen Bedingungen für die psychosozialen Zentren in Deutschland in den kommenden Jahren zu verbessern, um die Menschen aufzufangen, die im Regelsystem keine Chance auf eine bedarfsgerechte Versorgung haben.
[1] Enthalten sind die Zahlen der Ambulanten Abteilung für Erwachsene, der Tagesklinik, des Wohnverbund für Migrantinnen sowie der Ambulanten Abteilung für Kinder und Jugendliche. Nicht enthalten sind die Zahlen der Fachstelle für Traumatisierte Geflüchtete des Berliner Netzwerks für besonders schutzbedürftige geflüchtete Menschen sowie die Kursteilnehmenden der Abteilung für Flüchtlingshilfen und die Schüler:innen der Berufsfachschule Paulo Freire.